Profidrive zur Konfiguration und Steuerung von Antrieben

Freiraum für Anpassungen

In vielen modernen Automatisierungslösungen ist Profinet als Kommunikationsprotokoll etabliert. Über den Ethernet-Standard lassen sich unterschiedliche Steuerungsarten in das Netzwerk integrieren. Das gilt ebenfalls für Antriebssteuerungen, die immer häufiger auf Basis von Profinet in das Automationskonzept eingebunden werden.

Bei der Entwicklung von Antrieben werden die Mitarbeiter mit verschiedenen Fragen konfrontiert. So ist zu klären, wie der Antrieb konfiguriert werden soll und welche Parameter an ihn zu senden sind. Weiterer Festlegungsbedarf besteht hinsichtlich der zyklisch zu sendenden Regeldaten sowie der Steuerungen, an denen sich der Antrieb betreiben lässt. Derartige Themen können mit Profinet umgesetzt werden. Ein proprietärer Ansatz auf der Grundlage selbstdefinierter Profinet-Records und E/A-Daten weist allerdings den Nachteil auf, dass eine spezielle Steuerung und eine besondere Anwendung zur Konfiguration des Antriebs benötigt werden. Doch oftmals setzen Endanwender etablierte Steuerungstechnik ein. Darüber hinaus gestaltet sich die Einführung einer neuen Tool-Landschaft aufwändig und teuer. Das Profidrive-Profil hat die aufgeführten Fragestellungen gelöst, denn der Standard beschreibt nicht nur allgemeine Konfigurationsparameter, sondern lässt dem Entwickler Freiraum, um weitere herstellerspezifische Parameter zu definieren. Zeitkritische Regel- und Steuerwerte werden durch eine spezifische Telegrammstruktur in den zyklischen E/A-Daten ausgetauscht. Auch die grundlegende Ansteuerung ist schon durch eine Zustandsmaschine vorgegeben. Je nach Antriebstyp stehen unterschiedliche Standardtelegramme zur Verfügung, die für verschiedene Antriebs- und Regelungsaufgaben vorgesehen sind. Ein zertifizierter Profidrive-Antrieb kann somit an jede Profidrive-Steuerung angeschlossen und von ihr betrieben werden.

Bis zu sechs Antriebsklassen

Je nach Antriebstyp wird jedes Profidrive-Gerät einer Antriebsklasse (Application Class – AC) zugewiesen. Die Spezifikation legt bis zu sechs Antriebsklassen fest, wobei lediglich auf die vier wichtigsten AC eingegangen werden soll. Antriebsklasse 1 bestimmt die Strukturen für einfache drehzahlgeregelte Antriebe wie Frequenzumrichter. Die Regelung erfolgt hier komplett im Antrieb. Antriebsklasse 2 erweitert AC 1 um Regelwerte, sodass sich Drehzahlgleichlauf-Applikationen realisieren lassen. Dazu wird der Automatisierungsprozess in Teilprozesse zerlegt. Um Antriebsklasse 2 verwenden zu können, ist ein Datenquerverkehr zwischen den einzelnen Reglern notwendig. Neben den in AC 1 und AC 2 beschriebenen Faktoren enthält Antriebsklasse 3 Regelwerte zur Positionssteuerung. Auf diese Weise kann der Anwender Einachs-Positionsantriebe umsetzen, deren übergeordnete Regelprozesse in der Steuerung stattfinden. Antriebsklasse 4 definiert auf Basis der AC 2 eine Drehzahl-Sollwertschnittstelle. In diesem Fall wird die Drehzahlregelung durch den Antrieb überwacht, während die Steuerung die Lageregelung durchführt. AC 4 kommt vor allem für Anwendungen in Werkzeugmaschinen zum Einsatz. Die Ausprägung des Antriebs gibt also die Applikationsklasse vor, von der wiederum die Unterstützung spezieller Parameter und Telegrammarten abhängt (Bild 1).

Optionale Standardparameter

Zur Konfiguration und azyklischen Abfrage von Ist-Werten sieht Profidrive den Parameterkanal vor. Der Standard unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Parametergruppen: Standardisierte Antriebsparameter sind Teil der Profidrive-Spezifikation und müssen je nach Antriebsklasse vorhanden sein. Profidrive bietet Antriebsherstellern den Freiraum, eigene herstellerspezifische Parameter festzulegen und zu verwalten. Die Wertebereiche gehören zum Standard und bilden einen klar abgegrenzten Rahmen für alle möglichen Konfigurations-Einstellungen und Daten. Zu den Standardparametern zählen zum Beispiel die Abfrage von Systeminformationen wie Geräte-IDs oder Analysemethoden im Fehlerfall. Die Anzahl der zu unterstützenden Parameter beruht auf der gewählten Antriebsklasse. Viele Standardparameter sind optional, müssen folglich nicht implementiert werden. Jeder Parameter umfasst mehrere Attribute, welche die Eigenschaften der Daten erläutern. Ein Parameter wird zunächst durch seine Parameternummer (PNU) eindeutig definiert. Darüber hinaus verfügt er über eine Beschreibung. Sie bestimmt, in welchem Wertebereich sich die eigentlichen Daten befinden und wie sie zu interpretieren sind – ob als Einzelwert oder als Array. Optional kann ein Parameter auch eine Textbeschreibung zur einfacheren Identifikation einschließen. Und schließlich enthält er den eigentlichen Wert oder das Daten-Array.

Mehrere Telegramme

Während des Betriebs eines Antriebs müssen zyklisch Soll- und Ist-Werte ausgetauscht und abgeglichen werden. Je nach gewählter Antriebsklasse legt Profidrive unterschiedliche Standardtelegramme fest. Standardtelegramm 1 gilt als Basis für die weiteren Telegrammarten. Es definiert das Steuer- (STW1) und Zustandswort (ZSW1) sowie den Soll- (NSOLL_A) und einen Ist-Wert (NIST_A). Steuer- und Zustandswort sind Bit-codiert und erlauben dem Anwender, zeitkritische Schaltvorgänge oder Zustände einzustellen respektive abzufragen. Die Art, wie die Zustände zu wechseln sind, wird vom Profil durch eine Zustandsmaschine bestimmt. So ist sichergestellt, dass ein Antrieb gestartet respektive gestoppt werden kann. Die Zustandsmaschine legt nur die grundlegende Ansteuerung fest, die typisch für jeden Antrieb ist (Bild 2). Je nach Verwendung kann ein Antrieb mehrere Telegramme unterstützen, allerdings nicht gleichzeitig. Vor seiner Inbetriebnahme lässt sich das entsprechende Telegramm über den Parameterkanal auswählen.

Pufferbasierte Fehlerspeicherung

Profidrive erweitert den Alarm/Diagnose-Mechanismus von Profinet um einen eigenen Fehlerpuffer (fault buffer mechanism). Ein Fehlerzustand im Antrieb löst im ersten Schritt eine gerätespezifische Reaktion aus – beispielsweise wird der Antrieb gestoppt. Die Steuerung erkennt die Fehlersituation unter anderem durch ein Bit im Zustandswort des Telegramms. Darüber hinaus werden ein oder mehrere Fehlermeldungen in den Fehlerpuffer eingetragen. Ein solcher Fehlereintrag besteht aus der Fehlernummer, dem anwendungsspezifischen Fehlercode sowie der Störzeit und einem Störwert, der einer detaillierteren Diagnose dient. Nachdem der Fehler behoben und quittiert worden ist, wird er nicht automatisch im Fehlerpuffer gelöscht. Vielmehr verschiebt sich der Fehlereintrag in der Fehlerliste nach hinten. Auf diese Weise hat der Anwender die Möglichkeit, eine Fehlerhistorie aus dem Antrieb abzufragen (Bild 3).

Fazit

Das Profidrive-Profil liefert dem Antriebshersteller Antworten auf die für die Geräteentwicklung relevanten Fragen, wie sich ein Antrieb konfigurieren und steuern lässt. Denn grundsätzliche antriebsspezifische Aspekte sind bereits durch das Profil untersucht und umgesetzt worden. Dabei können weiterhin zusätzliche herstellerindividuelle Parameter definiert werden. Unternehmen wie Phoenix Contact bieten schon Lösungen an, die das Profidrive-Profil unterstützen. Somit hat der Anwender die Wahl, welche Steuerung oder Engineering-Anwendung er einsetzen möchte.

Das seit 2006 verfügbare Profidrive-Profil V4.1 wurde in den letzte Jahren nur durch Application Notes erweitert. Sämtliche Ergänzungen und das bisher getrennte Encoder-Profil sind nun in die überarbeitete Profidrive-Spezifikation V4.2 eingeflossen. Interessenten können die neue Version ab der Hannover Messe 2015 auf der Homepage der Profibus Nutzerorganisation www.profibus.com abrufen. Für Mitglieder der Nutzerorganisation ist das Herunterladen kostenfrei.

Thematik: Allgemein
Phoenix Contact Deutschland GmbH
http://www.phoenixcontact.de

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