Zuverlässige Automatisierung des Energienetzes

Robuste Netzwerk-Infrastruktur ist wesentliche Voraussetzung

Das Smart Grid der Zukunft spricht IEC61850 und wird nach den international abgestimmten Vorgaben automatisiert. Vor diesem Hintergrund müssen die im Energiebereich eingesetzten Geräte die Anforderungen der internationalen Norm ebenfalls erfüllen. Ein wesentliches Kriterium ist hier die Robustheit gegenüber elektrischen Phänomenen sowie Spannungsschwankungen und -einbrüchen.

Im Energienetz erweisen sich die Schaltanlagen als wichtige Schnittstelle, denn sie bilden die Verbindung zwischen der Energieerzeugungs-Anlage auf der einen sowie dem Energietransport- und -verteilnetz auf der anderen Seite. In der Schaltanlage werden Spannungen vom niedrigen Erzeugungs-Level auf ein höheres Level für den Energietransport umgesetzt. Nach der Beförderung über große Distanzen läuft dann im Umspannwerk der umgekehrte Prozess ab. Aufgrund ihrer Funktion als Knotenpunkt bauen die Betreiber die Schaltanlagen immer intelligenter auf, da ihnen eine besondere Rolle im Energienetz zukommt. Mit der Dezentralisierung der Energieversorgung wird auch die dezentrale Vernetzung der intelligenten Teilnehmer zunehmend wichtig. So ist sichergestellt, dass die Ursache einer plötzlichen Unterbrechung oder Notabschaltung schneller detektiert und über die Leitstelle sofort ein alternativer Pfad zur zuverlässigen Versorgung der angeschlossenen Verbraucher geschaltet werden kann.

IEC61850-3 beschreibt Geräteeigenschaften

In Deutschland ist die im VDE (Verband der Elektrotechnik) angesiedelte DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) für die Erstellung und Bearbeitung der Normen zuständig. Diese werden in letzter Zeit immer öfter auf internationaler Ebene angeglichen, so auch die IEC61850 (Bild 2). Sie beschreibt \’Communication networks and systems for power utility automation\‘, also die Automatisierung der Energieanlagen. Im Smart Grid ist sie daher zu einem zentralen Kommunikationsstandard geworden. In der IEC61850 sind außerdem die Umwelteigenschaften definiert, denen die im Bereich der Energieerzeugung und -verteilung verwendeten Geräte genügen müssen. Dies deshalb, weil die Komponenten in unmittelbarer Nähe zu spannungs- und stromführenden Leitungen installiert werden. Das Energieumfeld bezeichnet die spannungführenden Teile des Energietransports als Primärtechnik. Sie wird über intelligente Geräte der so genannten Sekundärtechnik angesteuert. In den Schaltanlagen sind die hochspannungführenden Teile (Primärtechnik) und die Mikroprozessor-gesteuerten Komponenten (Sekundärtechnik) auf engstem Raum verbaut. Sowohl die Primär- als auch die Sekundärtechnik unterliegen verschiedenen Umwelteinflüssen, wobei die Primärtechnik im normalen Betrieb die größten Auswirkungen auf die Sekundärtechnik hat. Teil 3 der IEC61850 schreibt die Eigenschaften fest, denen die in Schaltanlagen montierten Geräte standhalten müssen (Bild 3). Hierbei handelt es sich neben elektrischen Funktionen um nicht-elektrische Größen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck sowie mechanische Größen wie Stoß, Schock und Vibration, die ebenfalls in Schaltanlagen vorkommen können.

Elektromagnetischer Verträglichkeit kommt große Bedeutung zu

Der Betrieb der Schaltanlagen stellt unterschiedliche mechanische Anforderungen, die sich dem Betreiber leicht erschließen. Die installierten Komponenten müssen beispielsweise die automatischen Schalthandlungen ohne Schaden überstehen. Aufgrund der Nähe zur Primärtechnik werden die Geräte oft im Freien oder als direkte Schnittstelle zum Außenbereich verbaut. Sie befinden sich somit in nicht-klimatisierten Räumen, wo sie ohne Personal rund um die Uhr sowie über viele Jahre wartungsfrei arbeiten sollen. Eigenschaften, die sich aus seismischen Aktivitäten sowie der Nutzung an hoch gelegenen Orten ergeben, wurden ebenso in der IEC61850-3 berücksichtigt. Vor dem Hintergrund, dass die Infrastruktur der Energienetze unter anderem das Rückgrat des Wirtschaftslebens bildet und ihr Ausfall hohe Folgeschäden und Kosten nach sich ziehen kann, muss sie besonders widerstandsfähig ausgeführt sein. Für den Anwender bedeutet dies, dass die gemäß IEC61850-3 entwickelten Komponenten eine große Robustheit aufweisen. Verglichen mit den für die industrielle Verwendung konzipierten Geräten beträgt die Robustheit daher ein Vielfaches. Sie lässt sich nur erreichen, indem die Infrastruktur-Komponenten schon während der Entwicklung harten Tests unterzogen werden. Besonderes Augenmerk wird auf die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) gelegt, denn gerade im Umfeld von Schaltanlagen treten hier vielfältige Phänomene auf, denen sowohl die Automatisierungsgeräte der Sekundärtechnik als auch die Kommunikations-Infrastruktur wie Switches, Medienkonverter und Verkabelung widerstehen müssen.

Vier wichtige Prüfungen sind zu durchlaufen

Die europäische EMV-Richtlinie definiert elektromagnetische Verträglichkeit als Fähigkeit eines Apparates, einer Anlage oder eines Systems, in der elektromagnetischen Umwelt zufriedenstellend zu arbeiten, ohne dabei selbst elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für alle in dieser Umwelt vorhandenen Apparate, Anlagen oder Systeme unannehmbar wären. Im Umfeld von Schaltanlagen gibt es elektrische Phänomene, die kontinuierlich vorkommen, wie auch solche, die temporär starke Auswirkungen auf die Komponenten haben. Wenn dies dann in EMV-Störungen resultiert, müssen die Geräte zuverlässig funktionieren und dürfen in solchen Momenten nicht ausfallen. Im Bereich der Störfestigkeit lassen sich die Phänomene in vier wichtige Prüfungen aufteilen, die in den jeweiligen Hauptabschnitten der IEC61000-4 beschrieben sind:

1. Entladung statischer Elektrizität (ESD – electro static discharge)

Elektrostatische Entladungen ergeben sich aus der Berührung statisch aufgeladener Personen mit geerdeten Geräten. Dabei können die Komponenten beschädigt oder sogar komplett zerstört werden. Beim Entladevorgang entsteht ein Entladestrom, der einen typischen Verlauf aufweist. Das ist zum einen ein steiler Stromimpuls, der durch die Ladung der menschlichen Hand verursacht wird. Anschließend folgt ein energiereicher Impulsverlauf, welcher die Ladung des menschlichen Körpers repräsentiert. Die hier auftretenden Spannungen können bis in den zweistelligen Kilovolt-Bereich gehen (Bild 4).

2. Schnelle transiente elektrische Störgrößen (Burst)

Die Burst-Prüfung stellt das Ein- und Ausschalten von gemischt induktiv-kapazitiven Lasten in elektrischen Versorgungsnetzen dar. Die schnelle Abschaltung zieht eine Überspannung mit geringer Energie nach sich, und es bildet sich ein Abrissfunke an den Kontakten. Prellen die Kontakte, kommt es zu mehrfachen Impulsen, so genannten Burst-Paketen. Die Überspannungen breiten sich über sämtliche angeschlossene Leitungen aus und können, obwohl sie energiearm sind, die angekoppelten Geräte zerstören. Die Störfestigkeit wird mit einem normierten Impuls nachgewiesen. Um das Prellverhalten der Kontakte nachzubilden, werden mehrere Impulse in 15ms lange Burst-Pakete zusammengefasst (Bild 5).

3. Stoßspannungen (Surge)

Diese energiereichen Überspannungen ergeben sich typischerweise aus einem indirekten Blitzeinschlag oder durch Schalthandlungen in den Energie-Schaltanlagen. Der Impuls verteilt sich über alle Netz- und Datenleitungen. Für die dort angebundenen Komponenten führt dies zu einer hohen Überspannung, die sie stören oder zerstören kann. Deshalb simuliert die Surge-Prüfung die Auswirkungen eines indirekten Blitzeinschlags oder von Schalthandlungen im elektrischen Versorgungsnetz. Häufig wird dazu der Impuls 1,2/50 mit einer Stirnzeit von 1,2µs und einer Halbwertzeit von 50µs verwendet. Die Amplitude kann bis zu 4kV betragen.

4. Magnetfelder mit energietechnischen Frequenzen

Magnetfelder resultieren aus Strömen in den Leitungen oder aus der Nutzung von Generatoren. Ihre Frequenz entspricht also der Netzfrequenz. Da die Ströme in Schaltanlagen bis in den Kiloampere-Bereich reichen können, sind die Magnetfelder und ihre Auswirkungen auf andere Geräte entsprechend hoch. Bei dieser Art von Störfeld handelt es sich um die am meisten anzutreffende Beeinflussung, die sich nur schwer abschirmen lässt.

Spannungsschwankungen und -einbrüche müssen ebenfalls berücksichtigt werden

Neben den beschriebenen elektrischen Phänomenen treten weitere Störungen wie Spannungsschwankungen, Kurzzeitunterbrechungen und Spannungseinbrüche auf, die sich auf die elektrischen und elektronischen Komponenten auswirken. Sie werden durch Fehlerzustände im Netz oder plötzliche Laständerungen herbeigeführt. In einigen Fällen folgen zwei oder mehrere Spannungseinbrüche oder Kurzzeitunterbrechungen aufeinander. Spannungsschwankungen haben ihre Ursache in der an das Netz angeschlossenen, sich ständig ändernden Last. Die IEC61850-3 definiert daher verschiedene Prüfungsarten für die Geräte, um die Effekte von sprunghaften Änderungen der Spannung nachzubilden. Zudem wird eine Prüfung im Hinblick auf eine allmähliche Änderung der Spannung beschrieben, die eine spezielle Umsetzung des in die Komponenten integrierten Netzteils verlangt.

Fazit

Die im besonders sensiblen Bereich der Energieversorgung eingesetzten Geräte müssen spezifische Eigenschaften erfüllen, damit der zuverlässige Betrieb der wichtigen Energie-Infrastruktur sichergestellt ist. Das gilt für die gesamte Netzwerk-Infrastruktur, vor allem aber für die Switches, Medienkonverter und Verkabelungstechnik, die von der Ansteuerung der Primärtechnik bis in die Leittechnik verbaut sind. Phoenix Contact stellt hier ein breites Spektrum an robusten Komponenten für die Automatisierung im Bereich von Energieanlagen zur Verfügung.

Das Produkt-Portfolio von Phoenix Contact beinhaltet nun auch robuste Komponenten für den Einsatz in der Energie-Automatisierung sowie in besonders rauen Industrieumgebungen und der Automatisierungs-Infrastruktur in Energie-Applikationen. Die Switches wurden gemäß den Anforderungen der IEC61850-3 und IEEE1613 entwickelt und getestet. Verfügbar sind sowohl kompakte Geräte zur Installation auf einer DIN-Tragschiene im Schaltschrank als auch Geräte im 19\“-Format für den Einbau in standardisierte 19\“-Racks, die häufig in diesen Anwendungen genutzt werden. Alle Switches zeichnen sich durch ein lüfterloses Design zur Verwendung in einem weiten Temperaturbereich von -40°C bis 70°C aus. Sämtliche Varianten umfassen Weitbereichs-Netzteile, womit den hohen Anforderungen an die Verfügbarkeit Rechnung getragen wird. Die 19\“-Geräte bieten zudem redundant ausgeführte Spannungsversorgungen, die sich selbst im laufenden Betrieb auswechseln lassen. Je nach Ausprägung sind die Komponenten mit Lichtwellenleiter-Schnittstellen als Multimode- oder Singlemode-Fasern ausgestattet, die eine Überbrückung von Distanzen von 2 bis 40km ermöglichen. Ein großes Spektrum an Kabeln und Steckverbindern rundet das umfangreiche Programm an Switches und Medienkonvertern für Energieanlagen der Nieder-, Mittel- und Hochspannungstechnik ab.

Phoenix Contact Deutschland GmbH

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen
Bild: Hainbuch GmbH
Bild: Hainbuch GmbH
„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

„Wie passende Spanntechnik die Automation voranbringt“

Zunehmend individuellere Kundenanforderungen, mehr Schwankungen im Auftragseingang und weniger Fachkräfte – diese Faktoren beeinflussen die Fertigungsplanung zunehmend. Gerade bei kleinen Herstellungschargen mit Losgrößen unter 100 macht in diesem Spannungsfeld die Automatisierung, etwa von Hainbuch, den Unterschied. Ein entscheidender Ansatzpunkt in der Umsetzung ist neben Maschine, Roboter und Bediener der Rüst- und Spannprozess.

mehr lesen
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Bild: Schunk SE & Co. KG Spanntechnik
Futter für die Ewigkeit

Futter für die Ewigkeit

Siemens Energy setzt für die Präzisionsbearbeitung an einer Horizontaldrehmaschine Magnos Elektropermanent-Magnetspannfutter von Schunk ein. Dank der gleichmäßig dauerhaft wirkenden Magnetspannkraft erfolgt das Spannen der Werkstücke deformations- und vibrationsarm – für eine ausgezeichnete Bearbeitungs- und Oberflächenqualität. Mit der zugehörigen App lässt sich die Spannsituation simulieren und sicher parametrieren.

mehr lesen