Vom Marketing bis zum Produktdesign (Teil 2)

Interview mit Karsten Meyer (Geschäftsführer/Gründer Art-Kon-Tor Gruppen) und Andreas Martin (Geschäftsführer Produktentwicklung) von der B2B Agentur Art-Kon-Tor. Im zweiten Teil geht es schwerpunktmäßig um das Thema Prouktdesign. Ganz praktisch wird in dem Interview beschrieben, wie solch ein Prozess abläuft und wie die Zusammenarbeit aller Beteiligten funktioniert.

Gerade im Bereich Maschinenbau oder auch in der SPS Branche sind es nach der äußeren Wahrnehmung ja gerade die großen Unternehmen, die in Industriedesign investieren. Man sieht dort, dass es durchgängige Linien gibt. Woran liegt das Ihrer Meinung und Erfahrung nach? Kann es sein, dass Design für die kleineren Unternehmen zu teuer ist? Martin: Dann müsste man natürlich definieren, was ein kleines Unternehmen ist? Ein Unternehmen, das zwischen max. 50 und 1.000 Mitarbeitern hat. Im Maschinenbaubereich haben viele Unternehmen ungefähr 200 Mitarbeiter. Martin: Da habe ich eigentlich eine andere Wahrnehmung und auch Erfahrung. Da ist ein großer Teil an Kunden aus dem Mittelstand, die unsere Leistungen in Anspruch nehmen – auch in dieser Größenordnung im Mittelstand. Wir haben Kunden mit 10.000 Mitarbeiter, wir haben aber auch Kunden mit 50 oder 100 Mitarbeiter. Und hier wird es genauso gewollt und auch in Anspruch genommen wie auch von den großen Unternehmen. Ist es dann so, dass es Unternehmen sind, die auf Sie zukommen und sich in diesem Bereich verbessern wollen? Oder müssen sie erst Überzeugungsarbeit leisten? Martin: Das ist eine vielschichtige Frage und zielt ein wenig auf Geschäftanbahnung ab, wie es generell abläuft. Vielleicht sage ich tatsächlich mal etwas dazu. Wir betreiben natürlich viel aktiv Akquise. In dem wir einfach unsere Leistungen anbieten und entsprechend eben den Bedarf erfragen. Dann gibt es zum Glück auch die Firmen und Unternehmen, die von alleine zu uns kommen. Und die recht genau wissen, was sie möchten und was notwendig ist. Unter Umständen brauchen sie auch erstmal eine Beratungsleistung. Dementsprechend heterogen ist so eine Anbahnung. Aber tendenziell ist es so, dass wir in den letzten Jahren natürlich feststellen, dass es hier einen großen Sprung nach vorne gibt und die Akzeptanz und natürlich auch das Wissen und die Notwendigkeit von Produktdesign, einfach noch mehr zunimmt. Und das kommt natürlich aus einer ganz klassischen Situation, nämlich dass sich die Technologielevel immer mehr angleichen. Zum Beispiel die Spezifikation der Maschine, die immer mehr der des Wettbewerbers ähnlich wird und das auch im internationalen Maßstab betrachtet. Dann sucht man händeringend nach Alleinstellungsmerkmalen, nach Wiedererkennbarkeit, nach dem Charakter und dem Image. Das eben nicht nur für das Unternehmen sondern auch für die Produkte. Man ist sich auf jeden Fall im Klaren darüber, dass es einen gewinnbringenden Nutzen beinhaltet. Natürlich ist es unterschiedlich, wie viel jetzt dafür investiert wird. Sehen Sie diesen Nutzen vor allem in der Wahrnehmbarkeit als Alleinstellungsmerkmal oder sind das auch handfeste Argumente wie beispielsweise die Ergonomie? Welche Vorteile sehen Sie und kommunizieren Sie dem Kunden gegenüber? Martin: Das zielt ja darauf ab, den Begriff des Industriedesigns etwas zu definieren. Er setzt sich ja aus vielen Bestandteilen zusammen. Man kennt ja dieses typische \’form follows function\‘ Gewäsch. Das kann fast keiner mehr hören. Ich schildere das Ganze jetzt mal aus unserem Prozess heraus. Wie gehen wir also an so eine Aufgabe heran? Da gibt es immer zwei Gleise, die wir fahren. Natürlich steigen wir erstmal ein und beschäftigen uns mit dem Produkt, dem Markt und dem Anwender. Der Analyse-Part spielt zwar eine wesentliche Rolle, danach sind wir aber in einer konzeptionellen Phase und die splittet sich auf in eine technische und in eine strategische Phase. Bei der Technischen geht es vorrangig darum kostenorientierte Lösungen zu schaffen, das heißt, ich muss bei den prognostizierten Stückzahlen für den nächsten Produktlebenszyklus herausfinden, was ist das geeignete Verfahren? Und jenes Verfahren ist eben für 1.000 Stück geeignete und jenes Verfahren eben für 50 Stück. Da kennen wir uns sehr gut aus und entsprechend haben wir da Konzepte die serientauglich sind und die eben auch auf die Serie abzielen, um entsprechend das Design darauf ausrichten zu können. Das heißt, hier geht es schon sehr stark in Richtung Fertigungs-Know-how? Martin: Da geht es richtig um Herstellbarkeiten und um verfahrenstechnische Belange und um Kosten. Daneben beschäftigen wir uns noch mit Montage, mit Service-Aspekten, wobei das ja auch in der Produktion bzw. der Fertigung eine große Rolle spielt und oft auch einen finanziellen Nebeneffekt hat. Und das andere ist eigentlich die strategische Schiene. Wir nennen es so, weil dort solche Dinge wie Corporate Design, wie Markenbildung – die ja auch einen immer größeren Stellenwert im Produkt einnimmt – und auch das ganze Emotionale. Auch wenn das viele nicht hören wollen, weil es zu weich ist, aber es spielen auch weiche Faktoren, eine Rolle wenn es um Gestaltung geht. Also habe ich mit dem Produkt später positive Assoziationen, über seine Form und über seine Gestalt und Farbe. Und insofern versuchen wir auch dort zielgerichtet und taktisch vorzugehen, damit wir damit einen messbaren Erfolg haben. Und das sind natürlich solche Dinge wie Ergonomie, also Gebrauchstauglichkeit von Produkten, und Bedienkonzepte. Eine Bedienphilosophie, die intuitiv ist und auch vom Markt angenommen wird. Das sind sicherlich verkaufsentscheidende Faktoren, aber es sind eben auch Dinge, die man sehr stark im Vorfeld beeinflussen kann. Und darum kümmern wir uns parallel auch. Meyer: Ich habe hier noch einen Einwurf bei der Trennung der Kunden. Vor ein paar Jahren hätte ich ihnen noch Recht gegeben, dass sich die kleinen Firmen weniger um das Industriedesign kümmern. Mit der Krise hat sich das aber geändert. Durch die Vergleichbarkeit der Produkte sind alle gezwungen worden, auf diesem Gebiet etwas zu tun. Und wir sehen die Unterscheidungsmerkmale gar nicht in der Größe, sondern es gibt Kunden, die haben so was noch nie gemacht und sind Newcomer – mit denen ist es immer etwas schwierig und hakelig ein erstes Projekt zu machen. Die kennen sich nicht aus, wie so eine Produktentwicklung mit Design abläuft. Sie kennen die Kosten nicht und auch nicht die Zeit, in der alles abläuft und schätzen daher alles völlig falsch ein. Ist es möglich anhand von Beispielen mal aufzuzeigen, wie so ein Prozess grob abläuft? Martin: Der Prozess ist eigentlich immer der gleiche. Nicht derselbe, aber der gleiche. Und der ist eigentlich aus der Industrie entlehnt, muss man ganz klar sagen. Wir sind mit Industrieunternehmen groß geworden, haben uns an diesen gerieben und haben unseren Prozess dahingehend auch aufgestellt und eingerichtet, dass ein hohes Maß an Kompatibilität und Synchronität da ist. Dass man eben versucht zur richtigen Phase und zum richtigen Zeitpunkt einzusteigen, um eben dort optimal zusammen entwickeln und beraten zu können. Man muss wissen, dass wir von der ersten Idee, rein konzeptionell bis hin zum fertigen Prototyp oder dessen Serienüberleitung alles machen. Sodass es auch ein relativ langer Zeitraum ist, in dem wir mit dem Unternehmen das Produkt entwickeln. Ich kann das jetzt einfach mal minimalistisch schildern, wie so ein Prozess aussieht. Wir steigen mit einem ersten Meeting ein, bei dem wir versuchen uns möglichst schnell kennenzulernen. Aber eben auch um die Intention jedes Einzelnen hinein zu bringen. Da hat eben der Servicetechniker auch ein Stimmrecht neben dem Produktmanager und dem Marketingleiter. Und jeder brieft uns dann quasi individuell aus seiner Richtung, sodass wir dann ein recht globales Bild über das Vorhaben bekommen. Und dann steigen wir in so eine Art Ideenfindungsphase ein. Die ist sehr konzeptionell aber auch schon gestalterisch. Hier geht es darum bestimmte Ideen zu finden und wie bestimmte Dinge umgesetzt werden können. Aber es geht eben auch schon in die Entwurfsphase. D.h., unsere Designer setzten sich wirklich hin und machen erste gestalterische Ideen, um einfach eine Vorstellung entwickeln zu können, wo die Reise hingehen könnte. Dann wird es natürlich noch spezifischer, weil wir dann entsprechend des Marktes oder der Branche, ganz gezielt das Produkt entwickeln müssen. Sowohl an seinen Funktionalitäten, vorzugsweise natürlich das Gehäuse. Wir rühren das technische Know-how unseres Kunden nicht an, sondern legen uns außen herum. Und da können es genau diese Dinge sein, die wir vorher schon genannt hatten, die in der Konzeption eine Rolle spielen: Ergonomie, Funktion, gestalterische Aspekte, aber eben auch diese strategische Ausrichtung des Produktes. Und dann versuchen wir genau diese Erfahrung und Erkenntnis die wir gesammelt haben in Entwürfe zu gießen. Das sind sehr viele Entwürfe, das können bis zu 50 Entwürfe pro Produkt sein. Diese zeigen wir nicht unserem Kunden, sondern er bekommt eine Vorauswahl von drei, maximal vier Entwürfen um eine Richtung festzusetzen. Aber auch um ein gewisses Spekt­rum zu bieten: den Komfort einer Auswahl und des Mitentscheidens auf seiner Seite. Aber wir legen dann auch Bewertungsmaßstäbe an, die eben nicht rein gestalterischer Natur sind, sondern eben auch technischer und auch Kostenaspekte mitberühren. Da sagen wir dann z.B., wir würden diesen Entwurf als Vorzugsentwurf empfehlen, weil er am günstigsten herzustellen ist, am besten im Service ist, am besten in das bestehende Produktportfolio passt oder er den größten Wiedererkennungswert hat. Es kommt hier darauf an, was für Randbedingungen gesetzt wurden, die natürlich im Briefing vorher definiert wurden. Und dann bearbeiten wir gemeinsam den Vorzugsentwurf bis zum Ende aus. Das mündet dann meist in ein Model, in ein maßstäbliches Designmodel. Das kann nichts und repräsentiert nur das Äußere zu 100%. Und parallel dazu erstellen wir auch computerrealistische Bilder und Renderings des Produktes aus allen Himmelsrichtungen, um dort auch ein hohes Maß an Verbindlichkeiten zu haben. Bevor wir dann in die nächste Phase einsteigen, wollen wir sicherstellen, dass der Kunde genau das bekommt, was wir entwickelt haben und das bekommt, was er sich vorstellt. Der zweite große Schritt ist dann eben die Umsetzung dieses Entwurfs von der Konstruktion. Das ist ein klassischer reiner Engineering Part, wo wir größtenteils die Gehäuseteile konstruieren und umsetzen. Wir nutzen bei diesem Verfahren vorzugsweise Blech, aber eben auch sehr viel aus dem Kunststoffbereich. Wir haben in allen Verfahren entsprechendes Know-how. Dann modellieren wir die Teile, finalisieren die Konzepte bis hin zu Fertigungszeichnung. Das kann sogar soweit gehen, dass wenn wir in dem CAD-System unseres Kunden arbeiten, sogar mit den original Konfigurationsdaten, mit den Teilenummern arbeiten, sodass die Daten, die wir hier erzeugen, auch wirklich nativ ins System eingepflegt werden können. Im dritten großen Schritt, bauen wir einen oder mehrere Prototypen, die so nah an der Serie sind, wie es nur irgendwie geht. Und das darf man vielleicht gar nicht sagen, aber es gibt durchaus Kunden, die ihre Produkte auf unserem Prototypenstatus verkaufen. Der Kunde bekommt zum Schluss ein schlüsselfertiges Gehäuse. Das ist vorbereitet für die Systemintegration, meist ist er dann in der Lage in zwei bis drei Wochen eine Inbetriebnahme des Funktionsprototypen zu machen. Und nach dem er seine Technik eingebaut hat ist er in der Lage auf eine Messe zu gehen oder eine Produkteinführung zu machen. Und natürlich auch Labortests durchzuführen. Und wenn es in Richtung Fertigung geht, sind das dann Kleinserien oder Vorserien? Martin: Vorserien. Meistens bauen wir den Prototyp, das ist dann schon erst einmal ein Luft holen an dieser Stelle, weil wir dann erstmal unseren ersten großen Brocken Arbeit bewältigt haben. Dann gibt es natürlich Erkenntnisse aus dem Prototypenbau heraus. Natürlich gibt es manchmal im Detail noch Verbesserungspotential. Das wäre ja auch seltsam, wenn es nicht so wäre. Und der günstigstes Teil ist eben der, dass von beiden Seiten kein Optimierungsbedarf mehr herrscht und man in die Null-Serie geht. Meist sind das dann etwa zehn Geräte, die dann realisiert werden. Das muss dann nicht mehr bei uns stattfinden. So können alle Leistungen, die ich eben genannt habe, auch separat beauftragt werden. Aber es ist natürlich günstig, wenn wir es noch soweit mitbetreuen, dass wir noch mit in die Null-Serie kommen. Und dann ist der Kunde meistens in der Lage mit seinen entsprechenden Lieferanten auch die Serie zu realisieren. Das Schöne daran ist, dass wir alle Kompetenzen im Haus haben und hier Synergieeffekte zwischen unseren Mitarbeitern entstehen. Weil natürlich ein Konstrukteur in seiner frühen Phase schon begleitend, konzeptionell und beratend den Designern zur Seite steht, damit eben möglichst rasch serientaugliche Lösungen entwickelt werden. Genauso ist der Designer auch mal schnell beim Konstrukteur und steht diesem zur Seite, wenn es darum geht, eine Lösung die vorher technisch noch nicht so hundert Prozent durchdacht ist, gestalterisch vorzudenken. Das Ganze erfordert ja eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung des Kunden… Meyer: Deswegen ist ein Satz aus unserem Leitbild, dass wir symmetrisch zu unseren Kunden aufgestellt sind. Martin: Am Anfang ist es natürlich so, dass das Produktmanagement, das Marketing, der Vertrieb und die Entwicklung mit am Tisch sitzen. Aber man muss ganz ehrlich sein, nachdem das Design abgeschlossen ist, ist es eben ein sehr technisches Thema, in dem die Schnittstellen etwas enger gewählt werden. Hier arbeiten unsere Konstrukteure mit denen des Herstellers viel enger zusammen. Und das oft mit einem täglichen Austausch von Daten und Informationen. Das geht nicht anders. Das kann auch soweit gehen, dass wir über VPN Zugänge auf dem System unseres Kunden arbeiten. z.B. im CAD, wie vorher erwähnt. Eine weitere Sache, die wir bei uns im Haus haben, wären die ganzen Berechnungsthemen. Wenn es wirklich darum geht, statische Berechnungen zu machen, irgendwelche Flussdiagnosen beim Kunststoff – dann sind wir hierzu auch in der Lage. Was auch häufiger nötig ist, als man das vermuten würde. Man würde eher vermuten, dass man mehr Vorgaben hat? Martin: Nein man würde einfach vermuten, dass es hier nur um gestalterische Themen geht oder die technische Umsetzung einer Gestaltung. Aber gerade im Zenti/Milli-Bereich, in dem wir ja auch tätig sind, muss alles mit vierfacher Sicherheit garantiert werden. Und dann sind es eben auch mal Strukturteile oder Gehäuseteile, die tragende Funktionen ausüben. Und hier muss man eben schon in der Lage sein, dies entsprechend auszuwiegen.

ART-KON-TOR
http://www.art-kon-tor.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Bild: Ceratizit Deutschland GmbH
Werkzeuge – immer passend

Werkzeuge – immer passend

Eine digitalisierte Fertigung hat viele Gesichter… und Recker Technik aus Eschweiler setzt ihr auf jeden Fall einen Smiley auf. Dort bringt die Produktion mit digitalen Zwillingen mehr Effizienz in den Alltag sowie gleichzeitig mehr Überblick über das Toolmanagement und die Werkzeugkosten. Mit dabei: Zwei Tool-O-Maten, die intelligenten Werkzeugausgabesysteme von Ceratizit – dank denen immer das passende Werkzeug für den Job zur Hand ist.

mehr lesen