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3. Stuttgarter Innovationstage

Von der Cloud zum Software Defined Manufacturing

Mit einem außergewöhnlichen Themenmix empfing das ISW der Universität Stuttgart die Teilnehmer der dritten Stuttgarter Innovationstage. Der aktuelle Stand zur Maschinensteuerung aus der Cloud - auf den die Veranstaltung zurückgeht - wurde genauso behandelt wie das Potenzial von künstlicher Intelligenz für die Fertigung oder der Einsatz des digitalen Zwillings. Auch die Standardisierungsbemühungen hinsichtlich TSN oder 5G standen auf dem Programm.
Bild: Universität Stuttgart

In die historische Reithalle unweit des eigenen Standorts in Stuttgart hatte das Institut für Steuerungstechnik und Werkzeugmaschinen (ISW) am 12. und 13. Februar zur dritten Ausgabe der ‚Stuttgarter Innovationstage – Steuerungstechnik aus der Cloud‘ geladen. Die Veranstaltung, die eigentlich auf das Cloudforschungsprojekt Picasso zurückgeht, bot in diesem Jahr ein deutlich breiteres Themenspektrum und beleuchtete aktuelle und zukünftige Industrietrends vom IoT über maschinelles Lernen, Security und Blockchain bis hin zu Simulation, TSN und 5G. Als Gastgeber der Veranstaltung begrüßten die beiden Institutsleiter Prof. Alexander Verl und Prof. Oliver Riedel die rund 130 Teilnehmer. Gleich zu Beginn forderten sie, das Zeitalter des Software Defined Manufacturing auszurufen. „Schließlich macht moderne Software heute den Unterschied“, betonte Verl. „Sie hat sich im Maschinenbau zum zentralen Differenzierungsmerkmal entwickelt – so wie es vormals die Steuerungs- oder Antriebstechnik war.“ Sie mache auch meist schon den größten Anteil des Entwicklungsaufwands aus. Ein Ziel am ISW ist deshalb die Modularisierung von Maschinen, um Software in möglichst großem Umfang automatisch zu generieren – von der Steuerungssoftware über die ECAD-Daten bis hin zum digitalen Zwilling. Entsprechende Vorteile zeigt eine kürzlich abgeschlossene Promotionsarbeit am ISW auf: Schafft man es, den digitalen Zwilling automatisiert zu generieren, kann man die Anlagenmodellierung im besten Fall von vielen Tagen auf wenige Minuten reduzieren. „Diese Denkweise ist keine Zukunftsmusik, sondern findet in der Praxis bereits Anwendung“, so Verl weiter. Seine These sollten verschiedene Vorträge der Veranstaltung untermauern, z.B. aus der Automobilproduktion oder dem Maschinenbau. Dazu später mehr, doch nun erst einmal zurück zum Handlungsfeld der Steuerungstechnik aus der Cloud.

Bild: Universität Stuttgart

Industrielles Cloud Computing

Einen Abriss vom aktuellen Stand der Steuerungstechnik aus der Cloud gab Felix Kretschmer, ehemaliger Gruppenleiter am ISW und Organisator der Stuttgarter Innovationstage, im letzten Jahr. „Industrielles Cloud Computing ist wie Sex bei Teenagern“, so sein einführender, nicht ganz ernst gemeinter Vergleich. „Jeder spricht darüber, wenige haben es je gemacht.“ Kretschmer nahm die Zuhörerschaft in seinem Vortrag mit auf die Zeitreise der industriellen Cloud – am und abseits des ISW – und gab einen Ausblick, wie es mit dem Thema weitergeht. Begonnen hatte es an der Uni Stuttgart im Jahr 2013 mit Picasso. Das Forschungsprojekt sollte ausloten, inwieweit sich die Steuerungstechnik von Maschinen in die Cloud verlagern lässt. Die Ergebnisse mündeten in die erste Veranstaltung der Stuttgarter Innovationstage im Frühjahr 2017 und beschrieben unter anderem die noch zu lösenden Herausforderungen bezüglich Sicherheit und Echtzeit. Es folgten weitere Forschungsaktivitäten wie:

  • das Projekt MultiCloud für eine onlinebasierte Diensteplattform auf Basis verschiedener Cloudsysteme (2015)
  • CloudArc für eine cloudbasierte Überwachung und Anpassung von Schweißanlagen (2016)
  • das Projekt Rent´n´Produce zur Fertigungsbeauftragung – quasi ein Airbnb der CNC-Maschinen (2016)
  • das intelligente Servicesystem iSrv, um KMUs Industrie-4.0-Technologie zugänglich zu machen
Bild: Universität Stuttgart

Herausforderungen abseits der Technik

Der zweite Teil des Vortrags schilderte in Form eines Erfahrungsberichts welche Komplikationen sich abseits der Technik auftun, wenn man sich in Richtung Cloud orientiert. Das Spektrum beginnt dabei, dass die Testangebote großer Cloudanbieter nicht auf die Trial&Error-Anforderungen der Forschung ausgelegt sind, genauso wenig wie die IT-Strukturen in Partnerunternehmen. Oft bremst eben nicht die Technologie, sondern Randbedingungen, die unterschätzt werden – sei es in Hinblick auf Rechtsfragen, den Datenschutz oder die Security. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Es werden immer Experten verschiedener Domänen benötigt. „Für den Mehrwert aus der Cloud muss man stets Prozess-, Ressourcen und Software-Knowhow an einem Tisch zusammenbringen“, zog Kretschmer sein Fazit. Dann lasse sich das Potenzial für die Automatisierung gut nutzen, wenngleich die Maschinensteuerung aus der Cloud heute noch nicht einsatzbereit sei. Auf die Frage nach der zukünftigen Rolle der SPS antwortete er: „Das Steuerungskonzept als zyklisches Auslesen von Informationen wird sicherlich bestehen bleiben. Die Hardware-SPS direkt an der Maschine wird aber mittelfristig verschwinden.“

Bild: Universität Stuttgart

Sicherheit für neue Geschäftsmodelle

Wie die IT-Security zu einem Enabler für neue Geschäftsmodelle wird, zeigte Dr. Hans-Peter Bock am Beispiel des Datenmarktplatz IUNO. Der Trumpf-Experte für Industrie 4.0 verdeutlichte den Wert eines sicheren Austauschs sensibler Daten zwischen Kunden und Lieferanten, Dienstleister und Endanwender. „Es werden neuartige IT-Sicherheitslösungen benötigt, um vernetzte Produktionssysteme vor Cyberattacken und Spionage zu schützen“, betonte Bock. So müsse es neue Steuerungen für Maschinen geben, die Lizenzen und Schlüssel sicher ablegen und Daten entsprechend schützen können. Im IUNO-Projekt wurde dafür eine Lösung auf Basis des Kleinrechners Raspberry Pi realisiert. Eine Anmeldung auf dem Datenmarktplatz für die Cloudplattform Axoom ist heute schon möglich, allerdings nur im Rahmen einer Testphase, in der man Aufträge über das Internet an eine Demonstratoren-Getränkemischmaschine schicken kann.

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ISW Institut für Steuerungstechnik der

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