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3. Stuttgarter Innovationstage

Von der Cloud zum Software Defined Manufacturing

Mit einem außergewöhnlichen Themenmix empfing das ISW der Universität Stuttgart die Teilnehmer der dritten Stuttgarter Innovationstage. Der aktuelle Stand zur Maschinensteuerung aus der Cloud - auf den die Veranstaltung zurückgeht - wurde genauso behandelt wie das Potenzial von künstlicher Intelligenz für die Fertigung oder der Einsatz des digitalen Zwillings. Auch die Standardisierungsbemühungen hinsichtlich TSN oder 5G standen auf dem Programm.
Bild: Universität Stuttgart

Virtuelle Produktion am ISW

Die Themen Simulation, digitaler Zwilling und virtuelle Inbetriebnahme bildeten einen umfassenden Block im Kongressprogramm. Sowohl Softwareanbieter, als auch Systempartner sowie Anwender aus dem Maschinenbau und der Automobilindustrie steuerten hierzu Vorträge bei und gewährten Einblicke in die aktuellen Möglichkeiten und den dafür nötigen Invest. Auch das ISW stellte einen Referenten für den Digital Twin auf: „Wir wollen Wegbereiter bei der Einführung virtueller Technologien sein“, unterstrich Christian Scheifele, der als Gruppenleiter am ISW mit sechs Doktoranden im Bereich Simulation und digitaler Zwilling forscht. Das Institut formuliert hier einen hohen Anspruch, gerade auch beim Wissenstransfer in die Industrie. Entsprechend sind viele virtuelle Technologietrends Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchungen. Dazu gehören:

  • Simulationsarchitekturen digitaler Zwillinge
  • Simulationsansätze und (Echtzeit-)Simulationsmodelle für digitale Zwillinge
  • Virtuelle Methoden und Werkzeuge der digitalen Fabrik
  • Die digitale Fabrik als integraler Bestandteil im Maschinen- und Anlagenbau
  • künstliche Intelligenz (KI) auf Basis eines digitalen Zwillings
  • Model-Based Systems Engineering (MBSE)

Ein weiteres großes Thema am ISW ist die Echtzeit-Co-Simulation, sprich die Überführung des digitalen Zwillings aus der Entwicklung in die tatsächliche Produktion. Dieser gleicht sich dann als sogenannter digitaler Schatten permanent mit dem Fertigungsprozess ab. Auch Dr. Christian Daniel steuerte einen Vortrag zum Thema Simulation bei. Er ist Business Manager Simulationtechnology bei der Institutsausgründung ISG, die seit dem Jahr 2005 mit der Simulationssoftware Virtuos auf dem Markt aktiv ist. Er referierte nicht nur über praktische Erfahrungen bei der Einführung digitaler Werkzeuge, sondern präsentierte auch Zahlen aus einer Umfrage des VDMA zum Einsatz von Simulationswerkzeugen in der Praxis. Während aktuell noch die Strukturmechanik am häufigsten genannt wird, sehen die Befragten für die Zukunft die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) als wichtigstes Simulations-Tool für die Fertigung.

Bild: Universität Stuttgart

Simulation im Fokus

Michael Zetzsche schilderte am Praxisbeispiel des Maschinenbauers Homag den Werdegang zu Simulation und einem echten digitalen Zwilling. Seinen Vortrag ‚Vom Entwicklungs-Tool zum Produktionswerkzeug‘ startete er mit der Motivation für eine Einführung und entkräftete dabei typische Gegenargumente. Er zeigte auf, wie die Simulation Fehlerrisiko, Testaufwand und Lieferzeit senkt – während gleichzeitig Aufwand und Nutzen steigen. Mittlerweile sorgen mehr als zehn Entwickler bei Homag dafür, dass die Mehrheit der entwickelten Anlagen auch simuliert werden. Während die Maschinen und Anlagen bereits vor der Auslieferung zu über 90 Prozent in Betrieb genommen und auf Leistung gebracht sind, werden Software und SPS-Programme sogar schon vor der Inbetriebnahme fertiggestellt und getestet. Große Anlagen baut der Maschinenbauer vor der Auslieferung nur noch teilweise auf. Ein entscheidender Schritt, der Homag nach vielen Jahren Beschäftigung mit dem Thema zum Erfolg führte: Partner und Lieferanten einbinden, denn schließlich kennen sie die Mathematik und Algorithmen ihrer Produkte am besten. Deswegen werden neue Komponenten bei Homag nur noch mit digitalem Zwilling eingeführt.

Bild: Universität Stuttgart

Anlagenbau und Automobilproduktion

Von Heitec wurde der Einzug der digitalen Fabrik aus der Sicht eines Anlagenbauers dargestellt und eine weitere Perspektive eröffnet: Denn virtuelle Modelle und digitale Zwillinge können auch als Nebenerzeugnis aus einem optimierten Engineering entstehen. Dafür sei es aber nicht nur nötig, die Entwicklungswerkzeuge auf den aktuellen Stand zu bringen, sondern auch das Prozesswissen aus den Köpfen der Mitarbeiter in die Entwicklungssysteme zu übertragen. Wie die Methoden der Simulation im Automobilbau eingesetzt werden, dazu referierte Dr. William Tekouo. Sein Vortrag stellte verschiedene Anwendungsbeispiele der Ablaufsimulation und virtuellen Inbetriebnahme im Rahmen von Projekten vor und zeigte deren strategische Bedeutung für den BMW Motorenbau auf – speziell für die Absicherung von hochkomplexen Produktionssystemen. „Das Linienwissen liegt schließlich bei uns“, so Tekouo. „Wir müssen uns also umfänglich Gedanken zum Anlagenkonzept machen, damit wir das Angebot des Lieferanten mit unserem Knowhow bewerten können.“ So bildet die Ablaufsimulation den Wertstrom über die Produktionsanlage digital nach, mit dem Ziel frühzeitig Rückschlüsse über layout-technische, logistische und organisatorische Fragestellungen zu erzielen. Im Gegensatz dazu wird im Rahmen der virtuellen Inbetriebnahme das physikalische Anlagenverhalten nachgebildet. Im Anhang eines solchen digitalen Zwillings werden diverse Fragestellungen rund um den Softwareentwicklungsprozess untersucht und adressiert. Als Praxisbeispiel zeigte Tekouo die softwareseitige Modernisierung eines Portals, das auf rund 100m 15 Maschinen versorgt. Durch die virtuelle Inbetriebnahme konnte BMW 14 Wochen Entwicklungszeit und 800.000€ einsparen.

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ISW Institut für Steuerungstechnik der

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