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Fit für die Zukunft

Wer macht die Standards der industriellen Zukunft - die Plattform Industrie 4.0 oder das Industrial Internet Consortium? Viel bedeutender als diese Frage sei ein ganz anderer Punkt, sagt Softwarespezialist Kai Bergemann. Denn langfristig und regional übergreifend wird nur der Erfolg haben, der es versteht, die heute bereits existierenden Strukturen zukunftsfähig zu machen.

Wenn man über die Zukunft der industriellen Fertigung spricht, redet man hierzulande von Industrie 4.0. Doch neben der gleichnamigen Plattform bzw. Initiative, die eher von einer europäischen Sichtweise geprägt ist, gibt es mit dem Industrial Internet Consortium, kurz IIC,

ein alternatives Pendant, das seinen Ursprung im US-amerikanischen Raum hat. Anfangs mehr als Wettbewerber gehandelt, sind die beiden Organisationen mittlerweile auf einander

zugegangen und betonen die im Detail von einander abweichenden und sich potenziell ergänzenden Ausrichtungen. Während sich die Plattform Industrie 4.0 mit RAMI stark auf die

Produktion in der Fabrik konzentriert, ist das IIC mit der Referenz-architektur IRA in der Tat deutlich breiter aufgestellt.

Das Beste beider Welten

Einige international aufgestellte Automatisierer engagieren sich in beiden Gremien, um zukünftig die Vorteile beider Ansätze nutzen zu können. So z.B. das Unternehmen Rockwell Automation, das in seiner amerikanischen Heimat natürlich sehr aktiv im IIC ist, hierzulande aber auch Mitarbeiter für die Arbeitskreise der Plattform Industrie 4.0 nominiert. „Wir sind generell darauf bedacht mit unserer Vision vom Connected Enterprise beide Initiativen zu unterstützen“, betont Kai Bergemann, Softwarespezialist bei Rockwell Automation. Auch er sieht die Referenzmodelle weniger im Wettbewerb. „Beide Seiten bewegen sich aufeinander zu und erreichen sicherlich irgendwann eine Position, die alle unterschreiben können.“ Wichtig seien dafür gemeinsame Standards – nicht nur von IIC und der Plattform Industrie 4.0, sondern auch in Bezug auf die vielen anderen regional geprägten Zukunftsinitiativen für die Industrie. „Hier steht man sicherlich noch am Anfang“, so Bergemann. Doch aus Rockwell-Sicht funktioniere eine Standardisierung heute nur noch global. „Schließlich ist der Wandel durch die Digitalisierung von Industrie und Produktion nicht regional begrenzt, sondern eine weltweite Veränderung.“ Insofern mache es keinen Sinn nur über reine Industrie-4.0- oder IIC-Standards nachzudenken. „Das ist der wesentliche Punkt“, sagt Bergemann. Im Hause Rockwell Automation sieht man an dieser Stelle aber nicht nur die Automatisierer, sondern vor allem auch die produzierenden Unternehmen in der Pflicht, sich entsprechend einzubringen. „Standards und Technologie zur Verfügung zu stellen ist eine Sache“, so Bergemann. „Deren Implementierung in gewachsene Strukturen eine andere.“ Zukunftsfähige Automatisierungsansätze bei Greenfield-Anlagen zu realisieren sei ja nicht die große Herausforderung, sondern gewachsene heterogene Umgebungen entsprechend praxistauglich auszurüsten. Bergemann sieht diesen Aspekt heute noch nicht hoch genug gehandelt: „Wir bei Rockwell Automation zielen mit unseren Bemühungen deshalb nicht spezifisch auf Industrie 4.0 oder IIoT ab, sondern auf eine Harmonisierung von unterschiedlichen Integrationsebenen und verschiedenen bestehenden Systemen, um daraus entsprechende Optimierungsmaßnahmen abzuleiten.“

Verschiedene Welten verbinden

Dieser Trend wird in der Praxis dadurch gestützt, dass aus den frühen mehr theoretischen Überlegungen zur Fabrik der Zukunft mittlerweile immer mehr konkrete Vorteile, Funktionen und entsprechender Mehrwert für den Anwender erkennbar sind. „Aber damit aus dem Luftschloss Realität werden kann, muss es zu einem Aufbruch der guten alten Automatisierungspyramide kommen“, ist sich Bergemann sicher. Dieser Wandel und die dahinter stehenden technologischen Ansätze seien nicht nur auf die diskrete Fertigung beschränkt. „Neben der klassischen Fabrik sehen wir die Infrastruktur als einen weiteren Bereich, genauso wie Versorgungs- und Energietechnik oder die Smart City.“ In der Zukunftsvision von Rockwell Automation werden sich alle diese Bereiche irgendwann miteinander verbinden. Doch wie offen müssen die Standards dann sein, damit es zu einer solch weitreichenden Vernetzung kommen kann? „Es wird über die nächsten Jahrzehnte sicherlich eine Koexistenz der heute bereits bestehenden Systeme mit neuen, eher offenen Standards geben“, so Bergemann. Statt die komplette Kommunikationsstruktur in einer existierenden Umgebung auszutauschen sei es für den Anwender in der Praxis naheliegender, autark funktionierende Bereiche in die Vernetzung zu integrieren. „Die Kommunikation wird sich in ihrer Gesamtheit definitiv verändern, aber dennoch wird eine Vielfalt offener und proprietärer Lösungen bestehen bleiben“, schildert der Softwarespezialist. „Beide Seiten werden sich je nach Anforderung irgendwo treffen.“

Integration nach Anforderung

Bei der Vielzahl an Systemen, die in der Fabrik heute bereits typischerweise existieren – von Gebäudeleitsystem und Maschinenautomatisierung über Scada- oder MES-Software bis hin zu Engineering-Umgebungen, PLM/PDM und ERP – sieht der Rockwell-Fachmann einen pauschalen Aufruf zur Integration nicht als unbedingt zielführend. „Dort wo ich gar keine Anforderung habe, nützt auch die beste Integration nichts“, so Bergemann, „in erster Linie geht es also in jedem Fall ja darum, einen konkreten Mehrwert zu schaffen.“ Rockwell Automation will deshalb die jeweiligen Bedürfnisse der Anwender möglichst individuell erfüllen. „Mit unserer Software FactoryTalk VantagePoint können wir datentechnisch so gut wie alles integrieren: historische Daten und Live-Daten aus unseren Systemen oder Fremdgeräten, Daten aus Datenbanken, aus der Qualitätssicherung, von Gebäudeleitsystemen oder der Instandhaltung.“ Je nach Anforderung soll der Anwender daraus exakt die für ihn passenden Reports und Dashboards realisieren können. „Das ist für uns ein zentraler Aspekt des Connected Enterprise bzw. von Industrie 4.0 und heute schon möglich.“ Ergänzend unterstützt das Unternehmen seine Kunden bei der passenden Datenstruktur und bei den entsprechenden Algorithmen. Bergemann dazu: „Im Rahmen dieses Prozesses können wir mit unserer Erfahrung gut helfen, es muss aber immer gemeinschaftlich mit dem Kunden gehen – denn er kennt seine eigenen Strukturen und Anforderungen schließlich am besten.“

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