Die Aufgabenstellung war klar umrissen: Die indische Produktionsstätte eines weltweit tätigen Herstellers von Haushaltgeräten hatte sich klare Ziele für die Overall Equipment Efficiency (Gesamtanlageneffektivität; OEE) und auch für die Energieeffizienz ihrer Produktion gesetzt. Jedes Jahr soll der Energieverbrauch – in Relation zur Produktionsmenge – um 2 bis 5 Prozent reduziert werden, mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die (ebenfalls genau erfassten) CO2-Emissionen des Standortes. Gewünscht war eine umfassende, IT-gestützte Lösung, die den Ist-Zustand umfassend transparent macht, zugleich aber auch die Erfassung von Key Performance Indicators (KPIs) wie eben die OEE erlaubt. Drittens sollte die Datenbasis dazu genutzt werden, die Fortschritte zu dokumentieren – unter anderem für die internationale ESG-Berichterstattung.
Weltweites Dienstleistungsgeschäft neu aufgestellt
Mit diesem Anliegen wandten sich die Standortverantwortlichen an das ebenfalls in Indien beheimatete IIoT Global Competence Center bei Schmersal. Das scheint auf den ersten Blick nicht die naheliegendste Wahl zu sein. Schließlich ist das Unternehmen eher für Maschinensicherheit bekannt und in Themenfeldern wie Digitalisierung, Konnektivität, Vernetzung von Sensoren, Datenanalyse und Edge Computing zuhause. Aber Energiemanagement?
Die Frage lässt sich mit einem klaren Ja beantworten: Genau das ist ein Bestandteil des erweiterten Dienstleistungsangebotes, das die Dienstleistungsparte Tec.nicum ab sofort weltweit anbietet. Die Anfrage des Haushaltgeräteherstellers kam somit zum richtigen Zeitpunkt. Sie bot dem Schmersal Global Competence Center die Gelegenheit, das neue Energiemanagement erstmalig im eigenen Land zu implementieren.
Energieverbrauch erfassen und managen
Mit Energy Management Solution 4.0 (EMS 4.0) haben die Software-Entwickler des IIoT Global Competence Center eine modular aufgebaute Lösung entwickelt, die den Energieverbrauch in der Produktion transparent macht und eine umfassende Datenbasis für die Auswertung und Verbesserung bereitstellt. Das Plug&Play-Modul dieser Lösung ermöglicht mit seiner Front-End-Konfiguration die einfache Einrichtung und Zuordnung von Energiezählern. Das Dashboard visualisiert die Verbräuche aller Anlagen und deren Entwicklung. Diverse Auswertefunktionen erlauben das Erstellen von detaillierten Berichten über den Energieverbrauch, auch nach individuell definierten Parametern. Dabei lassen sich auch Grenzwerte festlegen, bei deren Überschreiten der Anwender eine (Alarm-) Meldung erhält.
Damit erhält der Anwender auch eine solide Grundlage für Energieeffizienzinitiativen. Er kann die Wirksamkeit einzelner Maßnahmen erproben und bewerten und die Daten für die CSR-Berichterstattung aufbereiten, die EU-weit bei größeren Unternehmen bereits verpflichtend ist. Und weil die Berechnung der KPIs ebenfalls Teil des vom tec.nicum entwickelten IIoT-Konzeptes ist (genau wie Condition Monitoring und Predictive Maintenance), kann die Energieeffizienz direkt in die Berechnung des OEE einfließen.
Eben diese Lösung haben die IIoT-Experten von Schmersal bei ihrem Kunden in Indien umgesetzt. Zunächst wurden gemeinsam die individuellen Anforderungen definiert. Dann passten sie die Software an diese Anforderungen an und wählten die entsprechende Hardware. Im letzten Schritt wurde die komplette Lösung implementiert und dem Anwender schlüsselfertig übergeben.
Hardware: Ausfallsichere Edge-Lösung
Bei der Auswahl der Hardware-Komponenten wurde u.a. darauf geachtet, dass sie auch bei einem Stromausfall für eine definierte Zeitspanne die Kommunikation mit dem Webserver aufrechterhalten können. Die von Energiemengenzählern und anderen Sensoren erfassten Daten von Maschinen und Antrieben werden zunächst auf der Edge-Ebene, d.h. in unmittelbarer Nähe zur Produktion, gesammelt und dort in Echtzeit ausgewertet. Dabei kommen u.a. 4G-Modbus-IoT-Gateways zum Einsatz.
So stehen dem Anwender immer sehr aktuelle Daten zur Verfügung, die z.B. auch unmittelbar zur Steuerung der Energieversorgung und -erzeugung (Solaranlagen, Generatoren…) genutzt werden können. Parallel dazu entstehen umfassende Reportings, die u.a. den Fortschritt bei der Reduzierung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen dokumentieren.
Verbesserung auf vielen Ebenen
Mit dieser Lösung ist der Haushaltegerätehersteller rundum zufrieden: Der personelle Aufwand für die Erfassung und Auswertung des Energieverbrauchs konnte erheblich reduziert und die OEE-Kennzahl deutlich verbessert werden. Auch die Betriebssicherheit wurde stark verbessert, weil kritische Energieverbraucher und -erzeuger sehr engmaschig überwacht werden. Dasselbe gilt für die Energieverteilungsanlagen. Unregelmäßigkeiten werden größtenteils in Echtzeit erkannt und sofort, z.B. per SMS, an die jeweils Verantwortlichen gemeldet.
Energie- und Produktionsdaten
Die Transparenz geht sogar so weit, dass der Energieverbrauch pro erzeugtem Produkt erfasst wird – und zwar individuell, für jedes einzelne Haushaltgerät, das die Fertigung verlässt. Um das zu gewährleisten, müssen die energiebezogenen Daten in Beziehung zu den Produktionsdaten gesetzt werden. Das wird auch durch die vom Tec.nicum entwickelte und bereitgestellte IIoT-Plattform sichergestellt.
Bei der Anpassung des Energiemanagementsystems an die Anforderungen des Kunden und in der gesamten Projektphase haben die Ingenieure des Tec.nicum eng mit dem IIoT-Team des Schmersal Global Competence Center (SGCC) in Pune/ Indien zusammengearbeitet. Sachit Mohan, Team Supervisor – IIoT Specialist im SGCC: „Wir haben uns gut ergänzt und beide unsere Kompetenzen eingebracht – von der Infrastrukturplanung über die Auswahl der Komponenten bis zur Implementierung.“
Safety-as-a-Service als IIoT-Anwendung
Zu den Backbones der hier beschriebenen Anwendung eines umfassenden Energiemanagementsystems gehört eine stabile IIoT-Plattform, die eine zuverlässige Kommunikation aller beteiligten Teilnehmer (von Sensoren und Visualisierungssystemen über Gateways und Server bis in die Cloud) gewährleistet. Diese vom Tec.nicum entwickelte Plattform bewährt sich auch schon in anderen Anwendungen.
Die Tec.nicum-Experten arbeiten bereits am nächsten Schritt: Künftig sollen auch sicherheitsgerichtete Daten über eine solche Plattform gesammelt, übertragt und ausgewertet werden. Das schafft die Voraussetzung für ganz neue, umfassende Dienstleistungen – und für ein neues Geschäftsmodell: Safety as a Service.