Interview mit Helmut Fichtner und Michael Zacharewicz, KEB Automation

„Kundennah aufgestellt“

Die komplette Automatisierung aus einer Hand: Diesem Anspruch wollen sich viele Anbieter heute stellen. Mit den Kernbereichen Antriebs- und Steuerungselektronik, Motoren und Getriebe sowie Magnettechnik ist das Unternehmen KEB Automation in dieser Hinsicht gut aufgestellt. Helmut Fichtner, Leiter Applikationsvertrieb, und Michael Zacharewicz, Leiter Control & Automation, erklären im SPS-MAGAZIN mit welcher Strategie und welchen Stärken KEB den aktuellen Trends begegnet.
Bild: KEB Automation KG

KEB Automation positioniert sich als Anbieter von moderner Automatisierungstechnik. Was bedeutet das genau?

Helmut Fichtner: Erstmal sind wir sehr breit aufgestellt, wodurch wir ein umfangreiches Portfolio für Automatisierungslösungen bieten können. Nur ein Beispiel: Durch die große Zahl an Steuerungssystemen können wir unseren Kunden eine gute Skalierbarkeit für unterschiedliche Performance-Ansprüche zur Verfügung stellen. Dazu zählt auch eine Sicherheitssteuerung, die in den Feldbus integriert werden kann. Die große Auswahl an Antriebstechnik – von Multiachssystemen bis hin zur Einzelachse oder speziellen Servosystemen – ist der zweite Baustein. Damit können wir unsere Synchron- oder Asynchronmotoren in Kombination mit unterschiedlichen Getriebemotoren antreiben. Das breite Produktspektrum ist aber nur ein Aspekt. Vielmehr geht es heute um Funktionen, die vorhanden sein müssen, um z.B. Motion oder Safety in einer Automatisierungslösung zu beherrschen. Diese Lösungen generieren wir unter anderem durch Software.

Michael Zacharewicz: Wir setzen auf funktionale und flexible Automatisierungstools, die für unsere Kunden möglichst einfach und nachvollziehbar gestaltet sind. An dieser Stelle setzt unsere Automatisierungsplattform Combivis Studio 6 an, mit der sowohl der funktionale als auch der sicherheitsgerichtete Teil in einem Projekt erstellt werden kann. Über dieses Tool wird zudem auch in beiderlei Hinsicht die Parametrierung der Antriebe realisiert. Für die Gestaltung von Benutzeroberflächen für Maschinen haben wir ein modernes Visualisierungstool, mit dem neue Bedienkonzepte umgesetzt werden können. Außerdem können Kunden ortsunabhängig auf Maschinen und Anlagen zugreifen. Per Fernwartung können sie über eine sichere End-to-End-Verbindung die Maschine komfortabel überwachen und steuern.

Wodurch unterscheidet sich KEB als Lösungsanbieter auf dem Markt?

Fichtner: Wir sind sehr kundennah aufgestellt. Im Mittelpunkt steht immer die Anwendung. Um dafür gute Lösungen zu finden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen unseren Mitarbeitern und den Kunden wichtig. Entsprechend stellen wir ein Team zusammen, das aus unseren Automatisierungssystemen die bestmögliche Lösung schafft. Wir unterstützen, beraten und entwickeln gemeinsam mit dem Kunden, um einen Erfolg für beide Seiten zu erzielen. Seit Jahrzehnten sind wir in vielen verschiedenen Anwendungsgebieten aktiv und pflegen die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Im Fokus steht für uns nicht das einzelne Produkt, sondern eine ganzheitliche Lösung. Durch die technische Ausrichtung sind wir in der Lage, auf die Anforderungen des Kunden einzugehen und ein für ihn angepasstes, technisches Customizing zu bieten.

Welche Anwendungen und Branchen haben Sie als Lösungsanbieter im Blick?

Fichtner: Wir arbeiten in verschiedenen Industriebereichen des Industriesektors schon seit vielen Jahren. Diese Fokussierung auf Kernanwendungen ermöglicht einen stetig wachsenden Aufbau von Know-how und technischem Nutzen. Die Rückmeldungen unserer Kunden sind überaus positiv, weil wir viel Erfahrung mitbringen und sich so für beide Seiten eine konstruktive und effiziente Partnerschaft ergibt. Zu den Branchen gehören z.B. die Holzbearbeitung, die Kunststoff- und Verpackungstechnik und die erneuerbaren Energien. Dafür bieten wir Komplettlösungen, die neben dem vertikalen Produktportfolio aus Steuerungen, Sicherheitstechnik, Antriebe und Motoren ebenfalls eine komplette Softwarelösung sowie einzelne Funktionen und Features für diverse Applikationen abdecken.

Zacharewicz: Im Detail bedeutet das etwa: Wir bieten die Lösung eines CNC-Kerns inklusive dedizierter Visualisierung für die Holzbearbeitung an. Des Weiteren steht für den Kunststoffbereich unter anderem eine Extruder-Lösung mit Visualisierung und Heizungsregelung sowie vielen weiteren Features zur Verfügung. Diese beiden Komplettlösungen können direkt für den Betrieb der Maschinen eingesetzt werden, ohne dass der Kunde selbst programmieren muss. Er hat aber trotzdem die Möglichkeit, seine individuellen Anforderungen über die IEC61131 problemlos zu integrieren bzw. zu erweitern. Dieser Freiheitsgrad besteht immer, sodass der Anwender die Softwarelösung für seine Bedürfnisse individualisieren und zum Beispiel auf KEB-Bibliotheken zurückgreifen kann, in denen viele weitere Funktionen zur Verfügung stehen.

Welchen Trends müssen Sie sich im Bereich der Automatisierung aktuell stellen?

Zacharewicz: Natürlich sind Megatrends wie IoT, Big Data, Cloud, Functional Safety oder Predictive Maintenance bei uns zentraler Bestandteil der Lösungsstrategie. Wir beschäftigen uns intensiv mit diesen Punkten, um Innovationen mitzugestalten. Damit wachsen auch die Möglichkeiten unserer Kunden. Nehmen wir z.B. die funktionale Sicherheit, die ja alle Branchen betrifft. Durch Sicherheitsanforderungen, die stetig erweitert werden, sind immer neue Lösungen gefordert. Sie ermöglichen es dem Maschinenhersteller, sich von Wettbewerbern durch außergewöhnliche Maschinenbedienkonzepte abzuheben. Die Sicherheitssteuerung von KEB bietet hier drei wesentliche Vorteile: Sie ist frei programmierbar, wodurch neue Sicherheitskonzepte mit wesentlich höherem Automatisierungsgrad gestaltet werden können. Durch das freie Konzept kann die Maschinenbedienung für den Anwender komfortabel umgesetzt werden. Ein dritter Vorteil ist die sichere Kommunikation über den vorhandenen Feldbus. So können z.B. Geschwindigkeitsinformationen bzw. der Status des Antriebes direkt über den Feldbus sicher ausgelesen und in der Safety-Steuerung frei programmierbar verarbeitet werden. Selbst die sichere Ansteuerung des sicher abgeschalteten Moments im Antrieb, das sogenannte STO, kann direkt über den Feldbus realisiert werden. Durch den bereits vorhandenen Feldbus entfällt die Verdrahtung, wodurch die Kosten sinken. Die Digitalisierung der Übertragungswege in Bezug auf Sicherheit und Automatisierung machen sämtliche Informationen für die Sicherheitssteuerung verfügbar. Ein wesentlicher Vorteil ist hierbei die Querkommunikation zwischen Sicherheitssteuerung und funktionaler Steuerung. Die funktionale Steuerung kann ebenfalls auf sichere Informationen zugreifen, direkt verarbeiten und in der Bedienebene darstellen, etwa Maschinenzustände. Diese Möglichkeiten durch Kommunikation, Vernetzung und Flexibilität bietet Mehrwerte, die einen Trend in der Automatisierung gesetzt hat.

Welche Rolle spielen Partnerschaften und Kooperationen für KEB?

Fichtner: Wir können für viele Anwendungen und Applikationen auf unsere Kernkompetenzen in allen Ebenen der Steuerungs- und Antriebstechnik zurückgreifen. Für ganzheitliche Lösungen ergänzen wir Teilbereiche unserer Entwicklung, Produktion und Services mit guten Partnern. So können wir externes Wissen einfließen lassen, um ein optimales Lösungspaket zu gestalten.

Wie wollen Sie das Kompetenz- und Lösungsspektrum Ihres Unternehmens noch erweitern?

Fichtner: Neben unserem breit gefächerten Produktportfolio im Bereich der Antriebstechnik, mit dem wir stetig wachsen, werden wir die Automatisierungslösungen noch intensiver einbeziehen und weiter skalieren. Außerdem liegt ein Schwerpunkt darauf, neue Anwendungslösungen inklusive der Steuerungstechnik für Kunden in unseren Kernbranchen zu schaffen. So zielen wir unmittelbar auf die Anforderungen des Marktes und bieten komplette, einsatzbereite Lösungen. Um diese Aufgaben stemmen zu können, investieren wir in neue Arbeitsplätze in allen Unternehmensbereichen. Ein weiterer Aspekt ist die schon erwähnte Nähe zum Kunden. Mit dem Ausbau unseres Standorts in Heilbronn wollen wir die Wege für unsere Kunden in Süddeutschland verkürzen. Auch arbeiten wir in verschiedenen Forschungsgruppen und -projekten im Rahmen von Technologienetzwerken mit. So können wir uns an der Entwicklung von Lösungen und Modellen wie dem digitalen Zwilling für eine neue Generation von Produkten und Produktionssystemen beteiligen und davon profitieren. Ein schönes Beispiel für solch ein Projekt in einer Zukunftsbranche ist unser T6 Drive System für kommerzielle Fahrzeuge, etwa für elektrische Busse.

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